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Die Vorsorgevollmacht

Rechtsanwältin Amelie Miedtank • März 21, 2023

Eine gesetzliche Betreuung vermeiden

Vielen Menschen ist bewusst, dass sie mit einem Testament regeln können, was nach ihrem Tode passiert. Ein ebenso wichtiger, aber häufig übersehener Regelungsbedarf besteht für den Zeitpunkt vor dem Tod. Es kann passieren, dass etwa durch Krankheit oder auch durch einen Unfall ein Zustand eintritt, in dem man selber nicht mehr über sich entscheiden kann. Das betrifft insbesondere medizinische Entscheidungen, z.B. die Einwilligungen in Operationen oder auch die Ablehnung von lebenserhaltenen Maßnahmen. Daneben ist aber auch der gesamte Bereich der Vermögenssorge betroffen – wer kümmert sich um die laufenden Verträge und rechtlichen Angelegenheiten?

Was passiert, wenn man sich selber vorher nicht gekümmert hat? Wenn eine Person in einen Zustand gerät, in der sie wegen ihres geistigen Zustandes ihre Angelegenheit nicht mehr besorgen kann, dann wird grundsätzlich ein gesetzlicher Betreuer durch das Betreuungsgericht bestellt. Als gerichtlicher Betreuer kann eine Person aus dem Verwandtenkreis gewählt, dies ist aber nicht zwingend. Häufig werden auch sogenannte Berufsbetreuer bestellt. Ein solcher Betreuer hat die Person aller Wahrscheinlichkeit nach nie vorher kennengelernt und muss nun über ganz persönliche Dinge für sie entscheiden, insbesondere über ärztliche Behandlungen, über die Unterbringung, über das Vermögen… Eine Situation, die für viele sehr abschreckend ist.

Das Ehegattennotrecht

Diese unbefriedigende Situation hat nunmehr zumindest für Verheiratete in engen Ausnahmefällen ein Ende. Zum Jahreswechsel 2023 ist das neue Ehegattennotrecht in Kraft getreten, §1358 BGB. Kann ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht mehr besorgen, darf der andere Ehegatte in bestimmten Grenzen über die medizinische Versorgung und den Aufenthalt bestimmen und entsprechende Verträge abschließen. Wenigstens in medizinischen Notfällen ist damit sichergestellt, dass der eigene Ehegatte und kein fremder Berufsbetreuer über das eigene Schicksal entscheidet. Dieser Schutz ist aber leider unzureichend. Zum einen gilt das Notvertretungsrecht nur in engen Grenzen und endet grundsätzlich nach sechs Monaten. Zum anderen ist nicht gesagt, dass man vom eigenen Ehegatten vertreten werden möchte oder dieser aufgrund eigener Krankheit in der Lage ist, entsprechende Entscheidungen zu treffen. Weiterhin gilt das Notvertretungsrecht grundsätzlich nur für Entscheidungen im Zusammenhang mit der Gesundheitsfürsorge, nicht aber auch für die Vertretung in sonstigen Belangen. Gerade wichtige Angelegenheiten gegenüber Banken, Versicherungen, etc. kann der Ehegatte allein aufgrund des Ehegattennotrechts nicht treffen.

Vorsorge treffen

Das Ehegattennotrecht ist von daher kein umfassender Schutz vor einer gerichtlichen Betreuung. Gerade im Alter besteht die Sorge, dass man seine Geschäftsfähigkeit verlieren könnte und so im Rechtsverkehr nicht mehr eigenständig handeln kann. Damit man weiß, dass die eigenen Interessen auch in einem solchen Zustand so wahrgenommen werden, wie man selber das für richtig hält und wünscht, sollte die Bestellung eines gesetzlichen Betreuers möglichst vermieden werden.

Eine gesetzliche Betreuung ist dann nicht notwendig, wenn eine Person rechtzeitig eine Vorsorgevollmacht errichtet hat. In der Vorsorgevollmacht kann bestimmt werden, dass eine andere Person Generalvollmacht erhält. Diese Vollmacht umfasst sowohl das Recht in persönlichen, insbesondere in medizinischen Entscheidungen, den Vollmachtgeber zu vertreten, als auch in vermögensrechtlichen Angelegenheiten. Der Bevollmächtigte kann den Vollmachtgeber also gegenüber Banken, Versicherungen, aber auch allen anderen Vertragspartner (Vermieter/ Mieter, Fitnessstudio, Autoversicherung, etc. pp.) umfassend vertreten. Wer mag kann den Bevollmächtigten auch die Befugnis erteilen, Schenkungen vorzunehmen.

Damit der Bevollmächtigte legitimiert wird, auch über lebensbedrohliche oder sogar lebensbeende Maßnahmen zu entscheiden, wird der Vorsorgevollmacht üblicherweise eine Patientenverfügung beigefügt. In der Patientenverfügung legt der Vollmachtgeber fest, in welchen Situationen er eine Behandlung wünscht, insbesondere aber auch, in welchen Situationen eine Behandlung nicht vorgenommen oder abgebrochen werden soll. Die Patientenverfügung stellt damit sicher, dass Situationen, die man für sich selber ablehnt und als unwürdig empfindet, verhindert werden.

Weiterhin enthält die Vorsorgevollmacht eine Betreuungsverfügung. Sollte – aus welchem Grund auch immer – trotz der Vorsorgevollmacht die Anordnung einer gesetzlichen Betreuung notwendig werden, dann kann der Vollmachtgeber verfügen, welche Person zum gesetzlichen Betreuer bestellt werden soll. Wenn alle Stricke reißen, dann ist auf diesem Wege zumindest eine vertraute Person der gesetzliche Betreuer und eben kein Fremder.

Form der Vorsorgevollmacht

Die Vorsorgevollmacht kann grundsätzlich privatschriftlich errichtet werden. Vorlagen gibt es allerhand, die frei verfügbar sind. Die privatschriftliche Vorsorgevollmacht hat jedoch einige Nachteile, die durch eine notarielle Beurkundung vermieden werden.

Bei der notariellen Beurkundung wird der Text der Vorsorgevollmacht juristisch geprüft. Anders als bei Vorlagen aus dem Internet wird damit sichergestellt, dass juristisch zweideutige Formulierungen möglichst vermieden werden und sich Auslegungsfragen vermeiden lassen. Weiterhin wird der Vollmachtgeber durch den Notar umfangreich aufgeklärt. Damit wird sichergestellt, dass der Vollmachtgeber alle Konsequenzen und Folgen der Vorsorgevollmacht versteht und insbesondere auch die Patientenverfügung dem wirklichen Willen entspricht.

Wichtig ist dieser Umstand insbesondere für Ärzte. Ohne rechtswirksame Einwilligung des Patienten könnte der Arzt eine strafbare Körperverletzung begehen. Wenn sich aus der Patientenverfügung der Wille des Patienten oder das Recht des Bevollmächtigten zu entscheiden nicht eindeutig ergibt, dann wird der Arzt dies im Zweifelsfall nicht akzeptieren. Die Vollmacht muss daher hinreichend bestimmt sein.

Bei einer privatschriftlichen Vorsorgevollmacht existiert ein Original, welches der Bevollmächtigte bei der jeder Handlung vorlegen können muss. Wenn dieses Original verloren geht oder beschädigt wird, dann kann der Bevollmächtigte seine Vollmacht nicht mehr nachweisen. Im Zweifel müsste dann wiederum ein gesetzlicher Betreuer bestellt werden.

Bei der beurkundeten Vorsorgevollmacht verbleibt das Original beim Notar. Die Beteiligten erhalten Ausfertigungen der Vorsorgevollmacht, die im Rechtsverkehr das Original ersetzen. Wird die Ausfertigung beschädigt oder verloren, dann kann der Notar eine neue Ausfertigung erstellen und der Bevollmächtigte kann seine Vollmacht weiterhin zweifelsfrei nachweisen.

Der dritte wichtige Aspekt ist, dass der Bevollmächtigte mit einer notariellen Vollmacht auch solche Rechtsgeschäfte wahrnehmen kann, die der notariellen Form bedürfen. Das ist allen voran wichtig in Grundstücksgeschäften. Der Bevollmächtigte wäre nur mit der notariellen Vollmacht in der Lage, beispielsweise das Haus des Vollmachtgebers zu belasten oder zu verkaufen, um von dem Erlös beispielsweise Pflegeheimkosten bestreiten zu können.

Beratung empfiehlt sich

Zu einer umfassenden Vorsorgeplanung gehört die Erstellung einer Vorsorgevollmacht. Um sich sämtlicher juristischer Konsequenzen gewahr zu werden und keine Fehler zu begehen, empfiehlt sich die juristische Beratung durch einen Rechtsanwalt oder durch einen Notar stets!

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von Rechtsanwältin Amelie Miedtank 26 Okt., 2023
Ein Testament ist schnell geschrieben – der letzte Wille wird wohl überlegt, in Worte gefasst und handgeschrieben auf einem Zettel festgehalten. Schon liegt ein formwirksames Testament vor, nach dem sich die Erbfolge zu richten hat. Doch leider kommt es in so manchem Fall dazu, dass die Klärung, was denn nun eigentlich tatsächlich der letzte Wille war, sich bei einem solch schnell errichteten Testament in die Länge ziehen kann. Über einen solchen Fall hatte das LG Hagen jüngst zu entscheiden. Der Sachverhalt der Gerichtsentscheidung In dem Fall, den das Landgericht zu entscheiden hatte, musste folgende Situation bewertet werden. Die Erblasserin war geschieden und hatte zwei Kinder. Sie verfasste ein handschriftliches Testament, in dem sie nach ihren Vorstellungen ihr Vermögen auf ihre Kinder und Enkelkinder aufteilte. Überschrieben war das Testament wie folgt: „Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte lege ich hiermit meinen letzten Willen fest. Das gilt für den Fall, dass ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme.“ Das Testament wies zwei Unterschriften auf. Einmal wurde es am 05.03.1998 – kurz bevor es für die Erblasserin in den Urlaub ging – unterschrieben. Die zweite Unterschrift datiert auf den 10.02.2000. Wenig überraschend verreiste die Erblasserin kurz darauf mit ihrem Enkelsohn. Nun kam es wie kommen musste: Die Kinder der Erblasserin gerieten in Streit über das Testament. Die Tochter der Erblasserin argumentierte dabei, dass das handschriftliche Testament doch nach dem Wortlaut ganz klar nur gegolten hätte, wenn die Erblasserin aus ihren Urlauben in den Jahren 1998 und 2000 eben nicht zurückgekommen wäre. Den Fall, dass sie über zwanzig Jahre später zuhause, nicht im Urlaub, versterben würde, den habe sie doch gerade nicht geregelt. Insoweit gelte also die gesetzliche Erbfolge. Auslegung des Testamentes Das Gericht hatte nun die Aufgabe, das Testament auszulegen. Bei der Auslegung eines Testamentes wird vornehmlich erforscht, was denn der wahre Wille des Testierenden gewesen ist. Selbst ein vermeintlich klarer Wortlaut kann von dem Testierenden anders verstanden oder gemeint worden sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn rechtliche Laien juristische Fachbegriffe benutzen – beispielsweise werden die Begrifflichkeiten des „erben“ und des „vermachen“ selten in der rechtlich richtigen Konsequenz verwendet. Entscheidend für die Auslegung ist also nicht, wie ein Dritter das Testament versteht, sondern es kommt darauf an, was denn der natürliche Wille des Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung war. Darüber hinaus kann auch eine ergänzende Testamentsauslegung vorgenommen werden. Verändern sich nach der Errichtung des Testaments unerwartet die wesentlichen Umstände – es verstirbt beispielsweise der eingesetzte Erbe oder die treu gedachte Ehefrau zeigt ihr wahres Gesicht – dann kann sich eine Lücke im Testament ergeben. Diese Lücke kann durch die Ermittlung des mutmaßlichen Erblasserwillens geschlossen werden. Was hätte der Erblasser gewollt, wenn ihm zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung dieser veränderte Umstand bekannt gewesen wäre? Die Grenze der Auslegung findet sich in der Formvorschrift. Testamente müssen entweder handschriftlich oder notariell errichtet werden. Die Auslegung kann also nicht gänzlich frei von den Worten des Testamentes erfolgen. Der natürliche und auch der mutmaßliche Wille des Erblassers müssen zumindest eine Stütze im Wortlaut des Testamentes finden. Der Wille muss im Testament also wenigstens angedeutet werden. Die Entscheidung des LG Hagen Nach diesen Auslegungsregeln musste das Landgericht nun entscheiden, wie wohl der Satz im Testament der Erblasserin gemeint gewesen war. Der Wortlaut scheint hier ganz eindeutig zu sein: „Das gilt für den Fall, dass ich nicht aus dem Urlaub zurückkomme.“ Na ja, so überlegte das Gericht, wenn ein Testierender in sein Testament Bezug auf ein besonderes Ereignis oder eine bestimmte Situation nimmt – hier also die Urlaubsreise – dann ist der Wille des Erblassers auf folgendes zu erforschen: Sollte tatsächlich die Geltung des Testaments verbunden werden, mit diesem Ereignis oder der Situation? Oder wollte der Erblasser nur seine Beweggründe oder den Anlass der Testamentserrichtung mitteilen? Hierzu stellt sich die Frage, ob der Erblasserwille verknüpft ist mit der von ihm benannten Bedingung. Hätte in unserem Fall die Erblasserin anders testiert, wenn sie gewusst hätte, dass sie den Urlaub überlebt? Anhaltspunkte dafür finden sich in ihrem Testament nicht. Das Landgericht weist daraufhin, dass regelmäßig davon ausgegangen werden dürfte, dass Testierende den gleichen Willen für ihre Nachfolge haben – gleich, ob es im Urlaub oder Zuhause zu Ende geht. Nur wenn die benannte Erbfolge in einem eindeutigen Zusammenhang mit dem genannten Ereignis oder der Situation steht, dann kann ausnahmsweise von einer echten Bedingung ausgegangen werden. Doch wie ist der Umstand zu werten, dass die Erblasserin das Testament vor zwei Urlaubsreisen unterschrieben hat, anschließend aber nicht mehr? Unstreitig hatte die Erblasserin auch nach dem Jahr 2000 noch Urlaubsreisen unternommen. Nach Auffassung des Landgerichts führt auch dies nicht zu einer abweichenden Auslegung. Immerhin hatte die Erblasserin das Testament schließlich noch zwanzig Jahre aufgehoben, ohne es zu ändern oder ein anderes Testament zu errichten. Die Beratung vermeidet Streit Immer wieder führen vermeintliche einfache Formulierungen in Testamenten, über die der Testierende sich vielleicht gar keine großen Gedanken gemacht hat, zu erbitterten Streitigkeiten unter den Angehörigen. Von daher empfiehlt sich auch bei vermeintlich einfachen Sachverhalten die Beratung durch einen im Erbrecht tätigen Anwalt oder einen Notar stets.
von Rechtsanwältin Amelie Miedtank, LL.M. 08 Aug., 2023
Zwei Eheleute errichten ein gemeinsames Testament. Darin steht, dass sie sich zunächst gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Der gemeinsame Sohn soll jedoch vorab bereits das Haus und die Guthabenbeiträge bei der Bank erhalten. Es kommt, wie es kommen muss: Der Ehemann verstirbt. Die Ehefrau beantragt bei dem zuständigen Nachlassgericht einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Das zuständige Amtsgericht entscheidet das aber anders: Na ja, überlegt die zuständige Richterin sich, das kann ja nicht richtig sein, dass nur die Ehefrau im Erbschein steht. Der Sohn „erbt“ doch schließlich das Haus und die Bankkonten, so steht es im Testament. Abweichend vom Antrag erlässt sie also einen Erbschein mit dem Inhalt, dass die Ehefrau den Nachlass ihres Mannes geerbt habe, mit Ausnahme des Anteils des Erblassers am Grundbesitz sowie der Guthabenbeiträge auf der Bank. Diese habe der Sohn geerbt. Ist das so richtig? Entscheidung des OLG Celle Einen ähnlichen Fall hatte das OLG Celle jüngst zu entscheiden und war über den erlassenen Erbschein gelinde gesagt „not amused“. In dem Beschluss des OLG Celle (19.06.2023, 6 W 65/23) heißt es, denen in dem Fall zuständigen Richtern scheine es im konkreten Fall an Grundkenntnissen des materiellen Erbrechts und des Verfahrensrechts zu fehlen. Nicht nur das, es fehle auch an der Bereitschaft, sich diese Kenntnisse zu verschaffen. Dies führe – so die Richter des OLG - zu Entscheidungen, die das Ansehen der Justiz in der Bevölkerung zu beschädigen geeignet seien. Das sind Worte, die kein Richter in seiner Laufbahn jemals hören möchte. Doch was ist der Hintergrund, dass der Senat des OLG Celle sich veranlasst gesehen hat, so scharfe Worte zu wählen? Im Testament steht es doch! Liegt ein wirksam errichtetes Testament vor, dann richtet sich die Erbfolge nach diesem Testament. Es herrscht grundsätzlich Testierfreiheit, d.h. der Erblasser kann frei darüber entscheiden, was mit seinem Vermögen nach seinem Tode geschieht. Daraus folgt, dass auch testamentarisch sehr flexibel Vermögen verteilt werden kann. Ist ein Testament nicht eindeutig, so ist es nach dem (mutmaßlichen) Willen des Testierenden auszulegen. In dem Beispielsfall könnte man nun auf den Gedanken kommen, dass eine Auslegung nicht erforderlich ist. Der Erblasser hat doch klar gesagt, wer was haben soll? Ganz so leicht (wie es sich auch die Richterin gemacht hat), ist es aber leider nicht. Die Verfügungen des Erblassers müssen so ausgelegt werden, dass diese den Grundsätzen des Erbrechts entsprechen. Die Grundsätze des Erbrechts Das deutsche Erbrecht kennt eine Einsetzung auf einzelne Gegenstände nicht. Wer als Erbe eingesetzt ist, der übernimmt in der Sekunde des Todes den gesamten Nachlass des Erblassers. Das bedeutet, der Erbe, bzw. die Erbengemeinschaft erhält das Eigentum und den Besitz an allen Nachlassgegenständen. Mitnichten ist es also so, dass mit dem Erbfall der Sohn Alleineigentümer des Hauses und des Kontenvermögens geworden ist oder die Ehefrau Alleineigentümerin des übrigen Vermögens. Stattdessen fällt das gesamte Vermögen eines Erblassers an seinen Erben, ggf. in Erbengemeinschaft. Alle Vermögensgegenstände des Erblassers, d.h. auch das Haus, das Kontovermögen, etc., fallen dem Erben, bzw. der Erbengemeinschaft, zu. Juristisch formuliert tritt eine Gesamtrechtsnachfolge oder auch eine Universalsukzession ein. Das bedeutet aber nicht, dass es einem Testierenden gänzlich verwehrt wäre, einzelne Nachlassgegenstände zu verteilen oder auch Personen zu begünstigen, die ansonsten aber nicht Erbe oder Erbin werden sollen. Richtigerweise werden solche Anordnungen juristisch nicht als „Erbe“ bezeichnet, auch wenn das im nicht juristischen Sprachgebrauch ganz üblich ist. Stattdessen liegt entweder ein Vermächtnis oder eine Teilungsanordnung vor. Vermächtnis Bei einem Vermächtnis weist der Erblasser einen bestimmten Gegenstand jemandem zu. Ein Beispiel dafür wäre, wenn es im Testament heißen würde: „Ich vermache meine Eisenbahnanlage an meinen guten Freund Dieter“. Es verbleibt bei dem zuvor benannten Grundsatz: Zunächst fällt das Eigentum in die Erbengemeinschaft. Dieter erhält das Eigentum an der Eisenbahn also nicht „von selbst“. Stattdessen hat er einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erbengemeinschaft auf Übereignung der Eisenbahn. Das heißt, dass alle Mitglieder der Erbengemeinschaft und Dieter sich darüber einig sein müssen, dass die Eisenbahn ihm zukünftig gehören soll und ihm im besten Fall die Eisenbahn auch direkt aushändigt wird. Weigert die Erbengemeinschaft sich, müsste Dieter auf Herausgabe klagen. Es bedarf also eines gesonderten Aktes, die Erbengemeinschaft muss das Vermächtnis noch erfüllen. Teilungsanordnung Daneben kann der Erblasser auch eine Teilungsanordnung in seinem Testament treffen. Beispielsweise könnte das Testament lauten: „Mein Sohn und meine Tochter beerben mich zu gleichen Teilen. Im Wege der Teilungsanordnung bestimme ich, dass mein Sohn die Bankkonten erhält und meine Tochter das Haus.“ Auch hier tritt zunächst der Grundfall ein: Sohn und Tochter bilden eine Erbengemeinschaft. Sowohl Haus als auch Bankkonten fallen zunächst in die Erbengemeinschaft und müssen von beiden gemeinschaftlich verwaltet werden. Bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft kann nun aber die Tochter verlangen, dass ihr Bruder daran mitwirkt, ihr das Haus zu übertragen. Umgekehrt gilt es für die Bankkonten genauso. Auslegung des Testamentes Soweit stellen sich also die Grundzüge des materiellen Erbrechts dar. Doch gerade juristische Laien, die ihr Testament selber formulieren, kennen diese Grundzüge und Begrifflichkeiten häufig nicht. Die Hinterbliebenen stehen dann vor der schwierigen Frage, wie ein solches unjuristisch formuliertes Testament denn eigentlich auszulegen ist. In dem Beispielsfall stellt sich die Frage, wer denn nun Erbe geworden ist? Die Ehefrau, der Sohn oder beide? Bei der Auslegung, gerade eines handschriftlichen Testamentes, darf dabei nicht streng vom Wortlaut ausgegangen werden. Gerade die Begriffe „erben“ und „vermachen“ werden bei der Errichtung von Testamenten durch erbrechtliche Laien gerne vermischt. Stattdessen stellt sich die Frage, wer den Nachlass aus Sicht des Erblassers hauptverantwortlich übernehmen, verwalten und auseinandersetzen soll. Darüber kann leider regelmäßig vortrefflich gestritten werden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich bei der Gestaltung des eigenen Testamentes fachkundigen Rat einzuholen, bzw. das Testament jedenfalls noch einmal „querlesen“ zu lassen. Auch wenn der Erbfall bereits eingetreten ist und die Hinterbliebenen sich mit einem unklaren Testament auseinandersetzen müssen, kann die frühzeitige Einholung eines anwaltlichen Rats für Klarheit sorgen und Streitigkeiten vermeiden.
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