von Rechtsanwältin Amelie Miedtank
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26. Oktober 2023
Ein Testament ist schnell geschrieben – der letzte Wille wird wohl überlegt, in Worte gefasst und handgeschrieben auf einem Zettel festgehalten. Schon liegt ein formwirksames Testament vor, nach dem sich die Erbfolge zu richten hat. Doch leider kommt es in so manchem Fall dazu, dass die Klärung, was denn nun eigentlich tatsächlich der letzte Wille war, sich bei einem solch schnell errichteten Testament in die Länge ziehen kann. Über einen solchen Fall hatte das LG Hagen jüngst zu entscheiden. Der Sachverhalt der Gerichtsentscheidung In dem Fall, den das Landgericht zu entscheiden hatte, musste folgende Situation bewertet werden. Die Erblasserin war geschieden und hatte zwei Kinder. Sie verfasste ein handschriftliches Testament, in dem sie nach ihren Vorstellungen ihr Vermögen auf ihre Kinder und Enkelkinder aufteilte. Überschrieben war das Testament wie folgt: „Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte lege ich hiermit meinen letzten Willen fest. Das gilt für den Fall, dass ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme.“ Das Testament wies zwei Unterschriften auf. Einmal wurde es am 05.03.1998 – kurz bevor es für die Erblasserin in den Urlaub ging – unterschrieben. Die zweite Unterschrift datiert auf den 10.02.2000. Wenig überraschend verreiste die Erblasserin kurz darauf mit ihrem Enkelsohn. Nun kam es wie kommen musste: Die Kinder der Erblasserin gerieten in Streit über das Testament. Die Tochter der Erblasserin argumentierte dabei, dass das handschriftliche Testament doch nach dem Wortlaut ganz klar nur gegolten hätte, wenn die Erblasserin aus ihren Urlauben in den Jahren 1998 und 2000 eben nicht zurückgekommen wäre. Den Fall, dass sie über zwanzig Jahre später zuhause, nicht im Urlaub, versterben würde, den habe sie doch gerade nicht geregelt. Insoweit gelte also die gesetzliche Erbfolge. Auslegung des Testamentes Das Gericht hatte nun die Aufgabe, das Testament auszulegen. Bei der Auslegung eines Testamentes wird vornehmlich erforscht, was denn der wahre Wille des Testierenden gewesen ist. Selbst ein vermeintlich klarer Wortlaut kann von dem Testierenden anders verstanden oder gemeint worden sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn rechtliche Laien juristische Fachbegriffe benutzen – beispielsweise werden die Begrifflichkeiten des „erben“ und des „vermachen“ selten in der rechtlich richtigen Konsequenz verwendet. Entscheidend für die Auslegung ist also nicht, wie ein Dritter das Testament versteht, sondern es kommt darauf an, was denn der natürliche Wille des Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung war. Darüber hinaus kann auch eine ergänzende Testamentsauslegung vorgenommen werden. Verändern sich nach der Errichtung des Testaments unerwartet die wesentlichen Umstände – es verstirbt beispielsweise der eingesetzte Erbe oder die treu gedachte Ehefrau zeigt ihr wahres Gesicht – dann kann sich eine Lücke im Testament ergeben. Diese Lücke kann durch die Ermittlung des mutmaßlichen Erblasserwillens geschlossen werden. Was hätte der Erblasser gewollt, wenn ihm zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung dieser veränderte Umstand bekannt gewesen wäre? Die Grenze der Auslegung findet sich in der Formvorschrift. Testamente müssen entweder handschriftlich oder notariell errichtet werden. Die Auslegung kann also nicht gänzlich frei von den Worten des Testamentes erfolgen. Der natürliche und auch der mutmaßliche Wille des Erblassers müssen zumindest eine Stütze im Wortlaut des Testamentes finden. Der Wille muss im Testament also wenigstens angedeutet werden. Die Entscheidung des LG Hagen Nach diesen Auslegungsregeln musste das Landgericht nun entscheiden, wie wohl der Satz im Testament der Erblasserin gemeint gewesen war. Der Wortlaut scheint hier ganz eindeutig zu sein: „Das gilt für den Fall, dass ich nicht aus dem Urlaub zurückkomme.“ Na ja, so überlegte das Gericht, wenn ein Testierender in sein Testament Bezug auf ein besonderes Ereignis oder eine bestimmte Situation nimmt – hier also die Urlaubsreise – dann ist der Wille des Erblassers auf folgendes zu erforschen: Sollte tatsächlich die Geltung des Testaments verbunden werden, mit diesem Ereignis oder der Situation? Oder wollte der Erblasser nur seine Beweggründe oder den Anlass der Testamentserrichtung mitteilen? Hierzu stellt sich die Frage, ob der Erblasserwille verknüpft ist mit der von ihm benannten Bedingung. Hätte in unserem Fall die Erblasserin anders testiert, wenn sie gewusst hätte, dass sie den Urlaub überlebt? Anhaltspunkte dafür finden sich in ihrem Testament nicht. Das Landgericht weist daraufhin, dass regelmäßig davon ausgegangen werden dürfte, dass Testierende den gleichen Willen für ihre Nachfolge haben – gleich, ob es im Urlaub oder Zuhause zu Ende geht. Nur wenn die benannte Erbfolge in einem eindeutigen Zusammenhang mit dem genannten Ereignis oder der Situation steht, dann kann ausnahmsweise von einer echten Bedingung ausgegangen werden. Doch wie ist der Umstand zu werten, dass die Erblasserin das Testament vor zwei Urlaubsreisen unterschrieben hat, anschließend aber nicht mehr? Unstreitig hatte die Erblasserin auch nach dem Jahr 2000 noch Urlaubsreisen unternommen. Nach Auffassung des Landgerichts führt auch dies nicht zu einer abweichenden Auslegung. Immerhin hatte die Erblasserin das Testament schließlich noch zwanzig Jahre aufgehoben, ohne es zu ändern oder ein anderes Testament zu errichten. Die Beratung vermeidet Streit Immer wieder führen vermeintliche einfache Formulierungen in Testamenten, über die der Testierende sich vielleicht gar keine großen Gedanken gemacht hat, zu erbitterten Streitigkeiten unter den Angehörigen. Von daher empfiehlt sich auch bei vermeintlich einfachen Sachverhalten die Beratung durch einen im Erbrecht tätigen Anwalt oder einen Notar stets.