Der Schock sitzt tief. Gerade erst hat man die Nachricht vom Tode eines nahestehenden Menschen erfahren und muss mit seiner Trauer umgehen. Einige Wochen später flattert ein Brief des Amtsgerichts ins Haus. Der Brief enthält das Eröffnungsprotokoll mit einer Kopie des Testamentes des Erblassers. Manche kennen den Inhalt schon oder erahnen ihn zumindest, manche trifft es aber auch unerwartet: Die Enterbung im Testament! Eine Enterbung kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen. Entweder ganz ausdrücklich („Mein Sohn erbt von mir überhaupt gar nichts!“) oder konkludent erfolgen, in dem der Nachlass vollständig verteilt wird und nur der Enterbte nicht erwähnt wird („Von meinen drei Kinder werden Kind 1 und Kind 2 jeweils zur Hälfte meine Erben“). So manch einer findet diese Situation ungerechtfertigt. Dazu sei das folgende Beispiel gebildet: Sohn As Vater ist gestorben. Zu diesem hatte er sein ganzes Leben lang eine gute Bindung. Nach dem Tod von As Mutter hat As Vater eine neue Frau – Frau H - kennengelernt. Anfangs freut A sich sehr für seinen Vater, dass dieser neues Glück in der Liebe gefunden hat. Schnell stellt sich allerdings heraus, dass Frau H der A ein Dorn im Auge ist. Obwohl sich A rührend um seinen Vater kümmert und diesen regelmäßig besucht, schafft Frau H es den Vater zu überreden. Er schreibt ein Testament, indem nur sie als Erbin eingesetzt wird. Als das Testament eröffnet wird, fällt A aus allen Wolken.
Anspruchsberechtigung
Werde ich nun tatsächlich gar nicht mehr an dem Nachlassvermögen beteiligt?, fragt A sich. Nun, so sagt das Gesetz, das kommt drauf an. Bestimmte, dem Erblasser nahestehende Personen haben einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch. Der Erblasser ist nach dem Gesetz verpflichtet einen bestimmten Personenkreis an seinem Vermögen zu beteiligen. Was für Personen sind das? An vorderster Stelle stehen die Kinder des Erblassers. Wenn keine Kinder vorhanden sind, dann kommen die Eltern des Erblassers zum Zuge. Ansonsten steht auch dem Ehegatten des Erblassers ein Pflichtteilsanspruch zu. Allen anderen Personen (z.B. Geschwister, unverheiratete Lebensgefährten, etc.) haben dagegen keinen Anspruch.
A als Sohn steht damit ein Pflichtteilsanspruch zu.
Die Höhe des Pflichtteilanspruches
Doch was bedeutet das für den A eigentlich? Inwieweit wird er am Nachlassvermögen beteiligt? „Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils“, sagt das Gesetz. Übersetzt bedeutet das, dass der Pflichtteilsberechtigte die wertmäßige Hälfte desjenigen bekommt, was er als gesetzlicher Erbe – sprich, wenn der Erblasser überhaupt kein Testament hinterlassen hätte – erhalten hätte. In unserem Fall sieht das wie folgt aus: Der Vater hatte Frau H lebzeitig nicht geheiratet. Damit wäre Frau H auch in der gesetzlichen Erbfolge nicht bedacht gewesen. Andere Kinder neben dem A hatte der Vater nicht. Als einziger Sohn wäre A damit Alleinerbe geworden. Sein Pflichtteil besteht damit in Höhe von ½ des Nachlasswertes. A freut sich – die Hälfte des Vermögens ist ja schon ordentlich. Aber wie erhält A diese Beteiligung? Wird er z.B. Miteigentümer des Hauses seines Vaters? Nein, denn der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Zahlungsanspruch. Einen Anspruch darauf bestimmte Nachlassgegenstände zu erhalten, hat der Pflichtteilsberechtigte dahingegen nicht.
Der Wert des gesamten Nachlasses wird ermittelt. Die Beteiligung in Höhe der Pflichtteilsquote muss sodann von dem Erben ausgezahlt werden. Hätte der Nachlass von As Vater zum Beispiel einen Wert von 600.000,00€, dann müsste in unserem Fall Frau H an den A einen Betrag in Höhe von 300.000,00€ auszahlen.
Der Auskunftsanspruch
A weiß nun, dass ihm eine Beteiligung am Nachlassvermögen zusteht und wie sich diese berechnet. Doch wie erfährt er, wie hoch das Nachlassvermögen eigentlich ist?
Dazu gibt ihm das Gesetz einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Erben. A hat gegenüber Frau H einen Anspruch darauf, dass diese ein Nachlassverzeichnis erstellt. In dem Nachlassverzeichnis sind alle Aktiva und Passiva aufzunehmen. Das bedeutet, dass auf der einen Seite alle Vermögensbestandteile des Erblassers aufzulisten sind. Das sind beispielsweise Immobilien, Kontovermögen, Sparbücher, Aktien und andere Wertpapiere, Haushaltsgegenstände, aber auch beispielsweise auch offene Forderungen, z.B. aus Darlehen oder auf Steuerrückerstattungen. Auf der anderen Seite werden alle Verbindlichkeiten des Erblassers aufgelistet, die bis zum Tode entstanden sind. Da zählen zum Beispiel offene Kredite des Erblassers rein, Steuerrückzahlungen und alle übrigen offenen Rechnungen. Neben diesen sogenannten Erblasserschulden, werden bei dem Pflichtteil auch die Erbfallschulden berücksichtigt. Das sind diejenigen Verbindlichkeiten, die durch den Tod des Erblassers selbst entstehen – in erster Linie also Beerdigungskosten, die Kosten für das Grabmal und die Kosten für die Grabstätte. Mit diesem Verzeichnis lässt sich nachvollziehen, wie hoch das Nachlassvermögen am Todestag exakt war. Bei der Erstellung und der Überprüfung des Nachlassverzeichnis lauern jedoch einige Fehlerquellen. Bei einigen Vermögensbestandteilen kann fraglich sein, ob diese in das Nachlassverzeichnis gehören – beispielsweise der Abschluss einer Lebensversicherung, eine Beteiligung an einer Personengesellschaft, etc. Die Beratung durch einen Anwalt empfiehlt sich deswegen sowohl auf Seiten des Pflichtteilsberechtigten, als auch auf Seiten des Erben!
Die Wertermittlung
A weiß nun aus welchen Vermögensbestandteilen sich der Nachlass zusammensetzt. Doch wie sind diese zu bewerten? Zunächst erfolgt die Wertermittlung stichtagbezogen auf den Tag des Erbfalls. Wertänderungen vor oder nach dem Todestag bleiben unberücksichtigt. Das kann insbesondere zum Beispiel bei Aktien zu weitreichenden Konsequenzen führen.
Für die Wertermittlung ist von dem folgenden Gedanken auszugehen: Der Pflichtteilsberechtigte ist wirtschaftlich so zu stellen, als sei der Nachlass beim Tode des Erblassers in Geld umgesetzt worden. Maßgeblich ist damit der Verkaufswert der Nachlassgegenstände. Das ist einfach, wenn der Erbe einzelne Nachlassgegenstände tatsächlich verkauft. Doch was ist mit den Nachlassgegenständen, die der Erbe behält? Diese müssen entweder geschätzt werden oder durch ein Sachverständigengutachten ermittelt werden. Die dabei entstehenden Kosten müssen vom Nachlass getragen werden.
Stimmt das Nachlassverzeichnis auch wirklich?
Unser A hat nun ein Nachlassverzeichnis von Frau H erhalten. Doch bei der Durchsicht stockt er immer wieder. Hatte sein Vater nicht noch eine wertvolle Münzsammlung? Diese wird mit keinem Wort erwähnt. Und was ist mit der goldenen Uhr, ein Erbstück seines Großvaters? Ihn beschleichen Zweifel, ob Frau H das Nachlassverzeichnis nach bestem Wissen und Gewissen erstellt hat. Was für Möglichkeiten stehen ihm offen?
Als Pflichtteilsberechtigter kann A verlangen, dass Frau H an Eides statt versichert, dass das von ihr erstellte Nachlassverzeichnis vollständig und korrekt ist. Stellt sich später heraus, dass Frau H wider besseren Wissens die Versicherung abgegeben hat, dann kann sie für dieses Verhalten bestraft werden. Und die falsche eidesstattliche Versicherung ist mit einem Strafmaß von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe sanktionierbar – und damit alles andere als ein Kavaliersdelikt.
Daneben kann A aber auch die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnis verlangen. Das Nachlassverzeichnis wird dabei von einem Notar erstellt. Dieser ist zur Vornahme eigener Ermittlungen verpflichtet, beispielsweise hat er bei den ortsansässigen Banken und Grundbuchämter nachzuforschen, er muss den Erben und ggf. andere Personen befragen, etc. Damit leistet das notarielle Nachlassverzeichnis eine größere Richtigkeitsgewähr als das von dem Erben erstellte Nachlassverzeichnis.
A weiß nun, in welcher Höhe sein Pflichtteil besteht und kann Frau H zur Zahlung auffordern. Damit hat er eine angemessene Beteiligung am Nachlass seines Vaters erhalten. Auf dem Weg dahin laueren einige juristische Stolpersteine. Bei der Geltendmachung des Pflichtteils lohnt sich die Beratung durch einen Anwalt für Erbrecht daher stets!
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