Viele Ehepaare wissen, dass sie ein gemeinsames Testament errichten können. Weniger bewusst ist den Testierenden, dass sie sich häufig ungewollt durch dieses Testament binden.
Ehepaare dürfen gemeinsam testieren. Einer schreibt den Testamentstext. Anschließend unterschreiben beide mit Ort und Datum und das gemeinsame Testament ist formwirksam errichtet. Klassisch ist das sogenannte „Berliner Testament“: Die Ehegatten setzen sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre gemeinsamen Kinder als Schlusserben ein. Um es anschaulich zu machen, bilden wir ein Beispiel: Annika und Max sind Anfang vierzig und haben zwei minderjährige Kinder. Sie schreiben ihr Testament nach dem Vorbild des „Berliner Testaments“ in wenigen Sätzen:
„Der Längerlebende von uns beerbt den Erstversterbenden allein. Nach dem Tode des Längerlebenden erben unsere Kinder zu gleichen Teilen.“ Über eine etwaige Bindungswirkung machen die beiden sich keine Gedanken.
Die gesetzliche Bindungswirkung des gemeinsamen Testaments
Was ist denn überhaupt unter dieser Bindungswirkung zu verstehen? Das Gesetz hilft weiter: Wechselbezügliche Verfügungen können aufgehoben werden, wenn beide Testierende sie gemeinsam widerrufen oder gemeinsam neu testieren. Soweit so gut. Schreiben Annika und Max ein neues Testament, in welchem sie neben ihren beiden Kindern noch eine weitere Person als Erben einsetzen, dann ist das rechtsgültig wirksam. Aber was ist, wenn nur einer von den beiden anders testieren möchte? Zu Lebzeiten ist der Widerruf des Testaments gegenüber dem anderen Ehegatten zu erklären. Und dieser Widerruf bedarf der notariellen Form. Es reicht also nicht, wenn Annika sich hinsetzt und ein eigenes neues Testament schreibt. Die Möglichkeit des Widerrufs erlischt, wenn der erste von den Beiden gestorben ist. Dann ist das gemeinsame Testament bindend geworden. Der Längerlebende hat grundsätzlich nicht mehr die Möglichkeit, das Testament jetzt noch zu ändern.
Wechselbezügliche Verfügungen
Diese Bindungswirkung gilt nur für wechselbezügliche Verfügungen. Wechselbezügliche Verfügungen definiert das Gesetz wie folgt: Wechselbezügliche Verfügungen sind solche Verfügungen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde. Übersetzt: Ich schreib mein Testament nur so, weil du dein Testament so schreibst.
Das Gesetz hilft mit Auslegungsregeln weiter: Eine wechselbezügliche Verfügung ist im Zweifel anzunehmen, wenn die Ehegatten sich gegenseitig bedenken: Du wirst mein Erbe, wenn ich dein Erbe bin. Gleiches gilt, wenn dem einen Ehegatte von dem anderen eine Zuwendung gemacht wurde und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahesteht. Übersetzt ist damit das klassische „Berliner Testament“ gemeint: Ich setze dich als meinen Erben ein, weil nach dir meine Kinder Erben werden. Relevant ist das insbesondere in Patchworkfamilien, wenn es nicht nur gemeinschaftliche Kinder gibt.
Was bedeutet das für unseren Fall? Das Testament von Annika und Max entspricht der Auslegungsregel. Ohne anderweitige Anhaltspunkte ist also von der Wechselbezüglichkeit auszugehen. In der Folge entsteht also auch die oben beschriebene Bindungswirkung des Testaments.
Probleme der Bindungswirkung
Und warum könnte diese Bindungswirkung problematisch sein? Wir spielen den „worst case“ durch: Kurz nach Errichtung des Testaments stirbt Max bei einem tragischen Unfall. Die Jahre vergehen, die Kinder werden größer. Während die Tochter eng mit ihrer Mutter Annika verbunden ist, begibt sich der Sohn leider auf Abwege. Er fällt in die Drogenabhängigkeit, distanziert sich von seiner Familie. Annika erreicht ein hohes Alter. Sie lebt im Haus der Familie ihrer Tochter, die sich aufopferungsvoll um sie kümmert. Mit ihrem Sohn hat sie leider nunmehr seit Jahrzehnten keinen Kontakt. Natürlich soll ihr Vermögen an ihre geliebte Tochter fallen… aber- wir erinnern uns - nach dem Tode des ersten Ehegatten ist das Testament bindend geworden. Annika kann nicht anders testieren, ihre beiden Kinder beerben sie jeweils zu der Hälfte.
Schenkung als Alternative?
Gewitzt könnte man sodann auf die Idee kommen, dass Annika ihrer Tochter noch zu Lebzeiten ihr gesamtes Vermögen schenkt. Dann gibt es kein Nachlassvermögen mehr, die Erbeinsetzung des Sohnes läuft ins Leere. So leicht kommt man jedoch nicht aus der Misere: Hat der Erblasser in der Absicht, den Schlusserben des gemeinschaftlichen Testaments zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann dieser von dem Beschenkten nach Anfall der Erbschaft die Herausgabe des Geschenks fordern. Heißt: Schenkt Annika beispielsweise ihr Haus an ihre Tochter, so kann nach dem Tode von Annika ihr Sohn das hälftige Eigentum des Hauses von der Tochter fordern. Streit und Ungemach ist vorprogrammiert.
Rechtliche Beratung hilft!
An unserem kleinen Beispielsfall können Sie sehen, wie viel bei der Errichtung des eigenen Testaments schiefgehen kann. Vermeintlich eindeutige Regelungen bescheren juristisch unvorhergesehene Probleme. Die Beratung durch einen Anwalt oder einen Notar hilft Ihnen dabei, die Konsequenzen Ihrer letztwilligen Verfügung zu verstehen und nach Ihren Vorstellungen anzupassen.
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