Bindungswirkung
Grundsätzlich kann jede Person frei über ihr Vermögen verfügen. Ebenso frei kann sie darüber entscheiden, was mit ihrem Vermögen nach ihrem Ableben geschehen soll. Ein einmal errichtetes Testament kann widerrufen oder durch ein neues Testament abgeändert werden. Und grundsätzlich kann jeder Testierende sein Vermögen zu Lebzeiten auch abweichend von seinem Testament an andere Personen verschenken oder es für sich verbrauchen.
Anders ist dies insbesondere in zwei Fällen: Durch den Abschluss eines Erbvertrages oder durch die Errichtung wechselbezüglicher Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament entsteht eine erbrechtliche Bindungswirkung. Der so gebundene Erblasser kann nicht mehr ohne Weiteres durch ein später errichtetes Testament die Erbfolge nach seinem Tod anders gestalten.
Lebzeitige Verfügungen
Doch ändert diese Bindungswirkung etwas daran, dass der Testierende zu seinen Lebzeiten frei über sein Vermögen verfügen kann? Grundsätzlich nicht: Der Testierende ist in Verfügungen über sein Vermögen nicht beschränkt. Er kann Gegenstände verkaufen, verbrauchen, zerstören … und was ist mit Verschenken? Hier zieht der Gesetzgeber eine Grenze. Im Gesetz heißt es „Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks (…) fordern.“. Was hat es mit diesem Anspruch auf sich?
Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs
Zunächst einmal muss eine Bindungswirkung vorliegen, das bedeutet wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament sind bindend geworden oder ein Erbvertrag wurde abgeschlossen. Weiterhin muss der Erblasser etwas verschenkt haben. Schenken heißt, dass jemand etwas bekommt, ohne etwas zurückzugeben. Wir Juristen machen (vermeintlich) einfache Sachverhalte aber bekanntermaßen gerne kompliziert: Eine sogenannte „(teil-) entgeltliche Schenkung“ kann vorliegen, wenn der Beschenkte sich zum Beispiel dazu verpflichtet, den Schenker im Alter zu pflegen und zu versorgen. Oder wenn der Schenker sich ein Nießbrauch oder ein Wohnrecht am verschenkten Grundstück zurückbehält. Eine Gegenleistung liegt nach der Rechtsprechung des BGH sogar dann vor, wenn der Schenker sich vorbehält, das Geschenk unter bestimmten Voraussetzungen zurückzufordern.
Hat man die Hürde der unentgeltlichen Schenkung überwunden, dann kommt man zu der Voraussetzung der Beeinträchtigungsabsicht. Der Erblasser muss den Vertragserben beeinträchtigen wollen… Das klingt irgendwie bösartig. Muss es aber gar nicht sein! Es reicht, dass der in dem Erbvertrag oder dem gemeinschaftlichen Testament bestimmte Erbe weniger erhält als vorgesehen. Und das ist auch dann der Fall, wenn der Erblasser gute Intentionen hegt, zum Beispiel seine zunächst ungleich bedachten Kinder nunmehr gleich behandeln möchte oder wenn die Witwe ihrem neuen Lebensgefährten etwas zukommen lassen möchte.
Ausnahme: Lebzeitiges Eigeninteresse
Gehen also gar keine Geschenke mehr? Soweit wollte der Gesetzgeber es nicht treiben. Geschenke können dann nicht zurückgefordert werden, wenn sie einer sittlichen Pflicht oder dem Anstand entsprechen. Davon umfasst sind zum Beispiel die üblichen Geschenke zu Weihnachten- und Geburtstag. Außerdem können Schenkungen nach der Rechtsprechung des BGH dann nicht zurückgefordert werden, wenn der Erblasser ein sogenanntes lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hat. Und hier wird es kompliziert: Notwendig ist dafür, dass sich die Umstände nach Errichtung der bindenden letztwilligen Verfügung ändern – ein Sinneswandel reicht nicht. Ausreichend ist beispielsweise, wenn der Erblasser den Beschenkten durch das Geschenk besonders an sich bindet, so dass der Beschenkte ihn deswegen im Alter versorgen und pflegen wird. Auch kann das Geschenk als eine Vergütung für bereits erbrachte Leistungen des Beschenkten vorgesehen sein. In der Praxis ist die Frage nach dem lebzeitigen Eigeninteresse regelmäßig der „Knackpunkt“ des Falls.
Rechtsfolge
Liegen alle Voraussetzungen vor, hat der beeinträchtigte Erbe nach dem Erbfall einen Herausgabeanspruch. Erst nachdem der Erblasser verstorben ist, kann der Erbe an den Beschenkten herantreten und fordern, dass dieser das Geschenk zurückgibt. Ist der Erbe nur anteilig erbberechtigt, so kann er nur einen entsprechenden Anteil fordern. Sind zum Beispiel zwei Geschwister als Erben eingesetzt und der eine erhält eine Immobilie von den Eltern geschenkt, so kann das andere Geschwisterkind nach dem Tod des letzten Elternteils verlangen, dass ihm das hälftige Eigentum an der Immobilie übertragen wird.
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