Vielen Menschen fällt es schwer, sich damit zu befassen, wie es nach dem eigenen Tod mit dem eigenen Vermögen weitergeht. Häufig besteht der Wunsch, das Vermögen den Angehörigen, insbesondere auch den eigenen Kindern zur Verfügung zu stellen. Doch was ist, wenn das eigene Kind nicht in der Lage wäre, das erhaltene Erbe behalten zu können?
Besonderheiten bei einem Kind mit Behinderung
Diese Frage taucht in einem sensiblen Bereich auf. Nämlich dann, wenn Eltern ein Kind haben, das in einem Grad behindert ist, dass es nicht für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen kann. Personen mit einer entsprechenden Behinderung benötigen häufig eine besondere Pflege oder müssen in besonderen Wohneinrichtungen untergebracht werden, wofür hohe Kosten anfallen. Diese Kosten werden oft von den Trägern der Sozialleistungen übernommen. Die Unterstützung der Eltern wird dadurch aber nicht überflüssig – es entstehen weitere Kosten, die nicht durch den Staat übernommen werden. Denkbar sind hier beispielsweise Medikamente, die nicht durch die Krankenkasse gezahlt werden, aber auch neue Kleidung, Materialien für besondere Hobbys, Taschengeld für Urlaube oder Kuraufenthalte, etc. Auf diese besonderen Zuwendungen soll das Kind nach dem Willen der Eltern natürlich nicht verzichten müssen. Doch was passiert, wenn das Kind mit Behinderung als Erbe eingesetzt wird?
Regressrecht des Staates
Erhält das Kind das Erbe so verfügt es nunmehr über ein eigenes Vermögen. Der Anfall der Erbschaft wird im Sozialleistungsrecht wie ein Einkommen behandelt. Der Bezug der Sozialhilfe ist vermögens- und einkommensabhängig, d.h. mit dem Erhalt des Erbes endet der Anspruch der Person mit der Behinderung darauf, staatliche Unterstützungsleistungen zu erhalten. Das Erbe muss für Pflege und Wohnen ausgegeben werden und verbraucht sich ggf. schnell. Das Erbe kommt sodann entgegen dem Willen der Eltern nicht dem Kind, sondern dem Sozialhilfeträger zugute.
Also ist die Lösung das Kind zu enterben? Auch nicht. Einem Kind, welches nicht als Erbe oder Vermächtnisnehmer bedacht ist, steht ein Pflichtteilsanspruch zu. Und dem Staat steht ein gesetzliches Überleitungsrecht zu, welches ihm ermöglicht, den Pflichtteilsanspruch auch ohne oder sogar gegen den Willen des Kindes geltend zu machen. Je nach Vermögenskonstellation ist die Geltendmachung des Pflichtteils für die anderen Erben, beispielsweise für die Geschwister, sehr belastend und der Erlös aus dem Pflichtteil kommt wiederum nur dem Staat und nicht dem Kind mit Behinderung zugute. Auch die Enterbung des Kindes ist damit keine sachgerechte Lösung.
Die Gestaltung des Behindertentestaments
Die Lösung erfolgt am juristischen Hochreck. Ziel des Behindertentestamentes ist es, dem Kind mit Behinderung so viele Vorteile wie möglich zu bieten, ohne dass der Staat die Möglichkeit bekommt, auf den Nachlass zuzugreifen. Aus diesem Grund wird das Kind entweder als Erbe eingesetzt oder es erhält ein Vermächtnis. Der Erbteil oder das Vermächtnis stehen aber unter Testamentsvollstreckung. Die Person, welche die Testamentsvollstreckung durchführt, erhält ganz genau festgelegte Anweisungen durch den Erblasser. Das verwaltete Vermögen darf dem Kind mit Behinderung nicht vollständig zur Verfügung stehen, sondern stets nur in einer Höhe, die unterhalb der Zugriffsmöglichkeit des Sozialhilfeträgers steht. Insbesondere darf der Testamentsvollstrecker Sachleistungen geben, um die Lebensqualität des Kindes mit Behinderung zu verbessern – hier sind wir nun wieder im Bereich der besonderen Medikamente, bei Reisen, etc. Der Testamentsvollstrecker übernimmt also im Hinblick auf die Vermögensleistungen die Fürsorge der Eltern. Auf diesem Wege wird gesichert, dass das Kind mit der Behinderung am Erbe der Eltern partizipiert und die dadurch entstehenden Vorteile für sich behalten kann. Das Erbe oder das Vermächtnis darf dem Kind weiterhin nur vorläufig gewährt werden – es wird ein Nacherbe oder ein Nachvermächtnisnehmer bestimmt. Andernfalls wären die Erben des Kindes mit der Behinderung in der Pflicht, die entstandenen Kosten des Staates auszugleichen.
Die Gestaltung des Behindertentestaments bedarf einer besonders sorgfältigen Ausarbeitung mit Blick auf den Einzelfall. Die juristische Beratung empfiehlt sich stets.
Ist eine solche Gestaltung sittenwidrig?
Diese Frage mag man sich stellen. Der Bundesgerichtshof hat sie in gefestigter Rechtsprechung entschieden: Nein, die Gestaltung eines Behindertentestaments ist nicht sittenwidrig, sondern ist Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge der Eltern für das Wohl des Kindes über den Tod hinaus. Die Richter haben in der Grundsatzentscheidung ausgeführt, dass es zu viel verlangt wäre, wenn die Eltern die ihnen zukommende sittliche Verantwortung für das Wohl des Kindes dem Interesse der öffentlichen Hand an einer Teildeckung ihrer Kosten hintansetzen. Umgekehrt, so sagt es der BGH: „Wenn Eltern, die ihre Verantwortung für ihr behindertes Kind und dessen Wohl voll auf sich genommen haben und dieser Aufgabe gerecht zu werden suchen, (…) dann müssen sie sich (…) fragen, ob sie nicht sittlich gehalten sind, auch für den Fall vorzusorgen, dass die öffentliche Hand ihre Leistungen für Behinderte nicht mehr auf dem heute erreichten hohen Stand halten kann.“
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